Historischer Kalender bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts
Über die Entwicklung des Brauchtums Karneval/ Fastnacht/ Fasching für das Gebiet Berlin/ Brandenburg von den Anfängen bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts
601 |
Papst Gregor empfiehlt, bei der Bekehrung heidnischer Völker (damals:Angelsachsen) die kirchlichen Richtlinien so durchzusetzen, dass dabei die Bräuche der Unterworfenen zu beachten seien. Entsprechend wurde später der Kirchenkalender gestaltet. |
1157 |
Gründung der Markgrafschaft Brandenburg, Höhepunkt der seit 934 laufenden Eroberung, Christianisierung und Kolonisierung des Gebietes zwischen Elb-Saale und Oder-Neisse, das von slawischen (wendischen) Stämmen bewohnt war (auch Wenden- Kreuzzug genannt). In die neue Markgrafschaft (vorher schon in deren Ausgangsgebiet Altmark) strömten Menschen aus anderen deutschen Landen sowie aus Flandern. Sie wirkten bei Hofe oder gründeten Orte, auch Klöster. Sie brachten ihre Bräuche mit,auch die des Winteraustreibens bzw.die der Vor-Fasten-Zeit. Über die ein ganzes Gebiet südlich der Stadt Brandenburg (Fläming genannt) besiedelnden Flamen ist überliefert, dass sie ein spezielles Fasten-Gebäck eingeführt haben. |
13. bis 15.Jahrh |
Die sich in der Altmark herausgebildeten Bräuche der Vor-Fassten-Zeit breiteten sich in der neuen Markgrafschaft aus: Martinstag am 11.11. anstelle vorheriger Wotansfeste, Lichtmesstag am 2.2. zum Winteraustreiben (Erbsbär) Heischegang vor dem und Fasteloamd am Fastnachtstag. Den ganzen Winter über gab es die wöchentliche Spinn- Koppel der Bauernmädchen (Lieder singen, Geschichten erzählen, Verse schmieden u.a.). Für den letztgenannten Brauch setzte sich in weiten Teilen der Mark der Name Spinte durch.Er umfasste die wöchentlichen Treffs in der (wechselnden) Spinnstube, einen Spinte-Ball, das Verkleidungsspektakel „Soathorken“ (eine Kontaktanbahnung mit vorher in der Spinte angefertigten Masken) und schliesslich der Heischezug „Wurschtluckern“ (dafür wurden bei den vorherigen Schlachtefesten extra die Grützwürste erfunden). In der Überlieferung (das haben Berliner Ethnologen 1936 erforscht), stand also der Begriff „Spinte“ für die Gesamtheit der Vor-Fasten-Bräuche in der Mark.
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1256 |
Wurde in Neuruppin die erste Gilde im neu eroberten Gebiet gegründet (in der Altmark- Stadt Havelberg gab es solche seit 1136), weitere folgten: 1272 Berlin-Cölln, 1306 Wusterhausen, 1424 Wilsnack, 1447 Plaue. In den Gilden vereinigten sich Kaufleute, Handwerksmeister und Fischer. Zur Verteidigung der Städte gegen Raubritter bildete man Schützengilden. Diese Gilden wurden zum Träger des Brauchgeschehens in der Vor-Fasten-Zeit. Ihre in einer Lade verwahrte Urkunde enthielt ihre vom Stadtherren verliehenen Privilegien und ihre Satzung. In dieser war z.B.geregelt: am Dreikönigstag Jahreshauptversammlung mit Festmahl, Reden, Gesang und Tanz, später dann Umzüge und schließlich der Fastelawend. |
1272 bis 1289 |
In Berlin-Cölln bildeten sich die Gilden der Bäcker, Kürschner, Schumacher, Schneider, Tuchmacher und Wollenweber. Neben bisherigen „dörflichen Gepflogenheiten“ (Heischezüge von Gesellen und Lehrjungen mit Erbs-Bär, Stiepen der weiblichen Zuschauer mit Ruten sowie Fastnachtstanz als Abschluss) entstand nun eine „städtische Festkultur“. Kein Heischezug ,sondern ein Festumzug in Kostümen und Masken und schließlich das üppige Festmahl für Geladene um Fastelawend. Das gemeine Volk blieb Zuschauer. Ihm wurden Auftritte von Komödianten, Akrobaten, Affenführern u.a. geboten. Die Ritterschaft führte auf dem Schlossplatz ein Fastnachtsstechen durch, auch als Volksbelustigung gedacht. |
1334 |
Erließ der Berliner Rat eine „Kleider-und Luxusverordnung“ in der kein üppiger Prunk,keine Spielleute, kein Tanz auf der Straße und nur eine begrenzte Gästezahl bei Feiern nach Mitternacht gestattet waren. |
ab 14.Jahrh |
Erfasste die Kolonisierung der neuen Gebiete auch die Lausitz (damals von Sachsen beherrscht, erst ab 1815 fiel der nördliche Teil mit dem Spreewald endgültig an Preußen). In den neuen Städten (Burg, Cottbus, Spremberg) entwickelten die Gilden eine neue städtische Festkultur, also andere Fasten- Bräuche als in den Spreewald- Dörfern. Dort blieben die Bräuche der slawischen Sorben ( Zapust) erhalten. Dazu zählten spezielle Sprache, Liedgut, Tänze, Musikinstrumente, Trachten, die Spinnstube, der Zamperzug (Zamper hieß die vorn gegabelte Stange zum „Beschicken“ der Räucherkammer) und der Tanz am Fastnachtstag. Speziell waren die in den Zügen mitgeführten Figuren „Schlangenkönig" und "weiße Frau“.(im Unterschied zu Wotan, Schimmelreiter bei den deutschen Kolonisten). |
1358 |
Zamperzug der Fischer in Stralow (als Stralau nunmehr zu Berlin gehörend) aus Anlass der Verlosung der Fischereireviere. Gleiches fand in Köpenick und anderswo statt. Die wasserreiche Mark hatte viele Fischerdörfer bzw. Fischerkieze (Vororte von Städten), wo die Bevölkerung sorbisch blieb und sorbische Fastenbräuche pflegte. Ausdruck der inzwischen erfolgten Christianisierung war das feierliche Begehen des Dreikönigstages in allen Fischer-Gemeinden. In einem bei solchen Zamperzügen von Kindern gesungenem Lied hieß es z.B. „Gebt mir’n Dreier, spring ich wie’n Bayer“ – das war ein deutlicher Bezug auf das Jahr 1348, wo die Brandenburger mit einem Aufstand die Wittelsbacher vertrieben hatten. |
1393 und 1399 |
Der Berliner Rat erlässt ein generelles Vermummungsverbot für das Stadtgebiet.
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bis zum 16.Jahrh |
In der Mark Brandenburg hatten sich Fastnachtsbräuche in klarer ständischer Gliederung bzw. Abgrenzung ausgebreitet. Es gab die Ritterspiele an den Höfen bzw. Residenzen und die Gilden mit Festschmaus und Repräsentationsaufzügen. Und es gab schließlich die derben Volksbräuche in Dörfern bzw.Kiezen. Bei Letzteren wirkten immer Kinder aktiv mit (Lieder und Verse). Doch es gab Widerstand! |
1430 | Umzug der Vierergewerke (Bäcker, Knochenhauer, Schumacher, Wollenweber) in Berlin |
1449 | Schiffertag in Plaue (Ummarsch, Schifferball) |
1460 |
Der Berliner Rat erließ erneut eine „Luxusverordnung“ (Limitierung der Gäste bei Feiern). |
1465 | Der Kurfürst erließ eine Luxusverordnung nach dem Berliner Vorbild für das gesammte Land. |
1476 | In der Kirche von Lenzen wurde ein Fenster mit Darstellung einer Narrenkappe montiert. |
1533 bis 1613 |
Durchsetzung der Reformation. Neben der lutherischen Richtung gewann die calvinistische Richtung („reformierte“ genannt) an Einfluß. Calvins Lehre lehnte Beichte und Fasten ab, seine Anhänger (verstärkt einwandernde Holländer) lehnten fastnachtliche Bräuche ab. Brandenburger Markgrafen – jetzt Kurfürsten - sind erst Lutheraner (1555) werden dann Calvinisten (1614) und später wieder Lutheraner. |
1540 |
Kurfürstliches Verbot von „Gotteslästerung“ und Störung der Sonntagsruhe, Auftrittsverbote für Komödianten |
1541 |
KurfürstlichesVerbot des „blauen Montags“ der Handwerksgesellen |
1545 | Ritterspiel zu Fastnacht aus Anlass einer Doppelhochzeit bei Hofe |
1550 | Es gab eine kurfürstliche Vorschrift, dass jeder Stand nur eine bestimmte Kleidung tragen dürfe. |
1551 | Es wurde eine kurfürtsliche Limitierung der Zahl der Gäste und Musikanten bei Feiern erlassen. |
1566 | Der "märkische Eulenspiegel" Hans Clauert als Verfasser vieler Fastenspiele verstarb. |
1566 |
Ein Spandauer Chronist vermerkte, dass „bey allen Ratsgeschäften gefastelt wurde, geschmauset und Rheinwein nicht geschonet sey“. Das Volk vergnügte sich „bei Possenspielen des Hanswurst und mit Mummenscherzen“. |
1580 |
Für die damals sächsische Niederlausitz galten die General-Artikel des Herzogs von Sachsen, eine Sammlung von Vorschriften wie z.B. die Fasten-Examina (ledige Burschen mussten während der Fastnachtszeit Katechismus-Examina ablegen). |
1629 |
Der Brandenburger Kurfürst begklagte sich beim Rate seiner Residenz Berlin über die „Affereien bei den Commödien oder die Fastnachtsputzen in den Gassen“ – schließlich befand sich das Land im 3o-jährigenKrieg. |
1641 |
Der kurfürstliche Kanzler berichtete: “An Fastnacht haben Zünfte und Gewerke mit Maskeraden und anderer Unsinnigkeit und Üppigkeit die Zeit hingebracht.“ |
1658 |
Die Stadt Dahme erließ ein Vermummungsverbot für die Fastnacht. Dieses umfasst das Fast- nachtsquartal der Zunftmeister sowie den Zamperzug der Gesellen am Fastnachtstag. |
4.2.1659 |
Edict wegen Abstellung der Fastnachtsspiele, Prozessionen etc. des Kurfürsten |
1670 und 1678 |
Wiederholung der Verbote
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1685 |
Edikt von Potsdam |
1701 |
Der Brandenburger Kurfürst erlangte die Würde König in Preußen als Friedrich I. Seine Gattin Sophie Charlotte fährt zum höfischen Carneval in ihre Heimat Hannover und setzt auch in Berlin dessen Einführung durch. 1670 werden in Frankfurt/O und 1700 in Berlin Theater eröffnet. Die königlichen Lustschlösser in Schwedt, Rheinsberg und Potsdam erhielten eigene Hoftheater. |
1709 |
Berlin wurde offizielle königliche Residenz. Ab November wurde die Ballsaison mit einer Redoute (Maskenball mit Gelage) eröffnet. Die Saison dauerte bis zum Fastnachtstag an. |
1714 |
König Friedrich Wilhelm I (Soldatenkönig) ging zur strengen Sparpolitik über und schaffte den höfischen Carneval in Preußen wieder ab. |
ab 1740 |
König Friedrich II. förderte den höfischen Carneval und ließ die Eröffnung der Berliner Staatsoper 1742 mit einer Redoute feiern. 1764 und 1774 wurden weitere Theater eröffnet. Berliner Kaufleute reagierten sofort und offerierten ab 1741 Masken und diverse „Habiter“. |
1741 |
Friedrich II. erließ eine verbindliche Ordnung für den Ablauf des Carnevals. Der Carneval in Berlin begann jetzt immer im Dezember wenn der König aus Potsdam (seiner 2.Residenz) nach Berlin kam. Er endete 1 Woche vor Fastnacht mit dem Geburtstag des Königs. Ein spezieller Höhepunkt war das Fest des Bohnenkönigs am 6.Januar. Bohnenkönig wurde derjenige, der in seinem Backwerk eine Bohne fand. |
1788 |
König Friedrich Wilhelm II. eröffnete als weißer Domino persönlich die Redoute am Hof. |
1806 |
Am Berliner Hof gab es vorläufig letztmalig Maskenfeste und ein Begräbnis des Prinzen Carneval mit Leichenzug. Französische Revolution, Koalitionskriege und Befreiungskriege führten zu einer längeren Unterbrechung des höfischen Carnevals. |
1813 |
Es wurde die königliche Vorschrift erlassen, alle Volksfeste (auch Carneval) wegen Lärms von den Kirchen fernzuhalten. |
1814 |
Es wurde das königliche Verbot von Tanzunterricht und Bällen an Feiertagen erlassen. |
1816 |
Es wurde das königliche Verbot von Theatervorführungen an Feiertagen erlassen. |
1825 |
Es wurde das Verbot von Umzügen sowie des "blauen Montags" von Handwerksgesellen in Berlin erlassen. |
1827 |
Während die preußischen Könige (Friedrich Wilhelm III, und IV) zunächst mit Verboten auf den sich in der 1815 zu Preußen gekommenen Rheinprovinz neu formierenden bürgerlichen Karneval reagierten (1830 Verbot der Kölner Karnevalszeitung), hatte der preußische Stadtkommandant von Köln, der Kavalleriegeneral Baron von Neuhauß- Czettwitz auf eigene Faust gehandelt. Er erschien auf der Sitzung der „Großen Karnevals- Gesellschaft“ mit einer eigens dafür angefertigten Narrenkappe und ordnete mit dem Spruch „Gleiche Brüder, gleiche Kappen“ an, dass alle Karnevalisten künftig solche Kappe zu tragen hätten (seitdem ist der Begriff „Kappenbruder“ bei Karnevalisten üblich). |
1830 |
In Cottbus u.a. Städten der Niederlausitz begann eine Wiederaufnahme von Redouten und Maskenbällen getragen von der Kaufmannschaft. Getanzt wurde der Wiener Walzer. |
1832 |
Es erfolgen erneut königliche Anordnungen zur Wahrung der Feiertagsruhe. |
1842 |
Berliner Pfarrer gründeten einen „Haupt-Verein zur Beförderung einer würdigen Sonntagsfeier und pochten auf Einhaltung des königlichen Verbots“ von 1832. Doch vergebens. |
1843 |
Maskenfeste am königlichen Hofe |
1845 |
Es gab eine Kabinetts-Order den Karneval nur in katholischen Gegenden, nicht aber in protestantischen gewähren zu lassen. |
1847 |
Seit 1815 gab es einen Zustrom von Rheinländern nach Berlin und Brandenburg. In Cottbus wurde der Verein der Rheinländer gegründet. |
1853 |
Neben höfischen Redouten fanden viele Privatbälle zur Fastnachtszeit statt. In Berlin fand ein „patriotischer Karneval“ statt. |
1856 |
Subskriptionsbälle (zu den Hofbällen wurden reiche Bürger und Künstler zugelassen) bürgerten sich in Berlin u.a. Städten ein. Dazu wurden Tanzlokale sowie eigene Lokale der großen Brauereien eröffnet. |
1868 |
Durch Berlin-Mitte fand ein erster Karnevalszug mit „mässigem Erfolg“ statt. |
ab 1870 |
Als Gegenreaktion gegen die verschärfte Germanisierung gründeten die Sorben die Organisation „Domowina“ für die gesamte Lausitz (Sitz in Bautzen). Die gab Richtlinien für die sorbische Fastnacht „Zapust“ heraus, die heute noch gültig sind. Dazu gehörten: die Spinte und nach deren Abschluss der 3-tägige Zapust mit Zamperzug in der sorbischen Festtracht sowie Tanz an allen 3 Abenden. Abschluss ist die Männerfastnacht (Tanz nur für verheiratete Paare) sowie das Eieressen für Kinder und Jugendliche. |
1870 |
Gründung des Club der Rheinländer zu Berlin |
ab 1871 |
In allen Brandenburger Kreisen erschienen wöchentlich amtliche Kreisblätter, in denen die jetzt zahlreich entstehenden Vereine ihre Bälle – auch Maskenbälle- anzeigen. |
1873 |
Gründung der Carnevals-Gesellschaft zu Cottbus |
1874 |
Narrensitzung als "Große Redoute" in Cottbus und ab da an jedes Jahr. |
1875 |
Gründung des Alaaf-Klub der Rheinländer zu Berlin |
1876 |
Karnevalszug in Berlin auf einer vom Innenministerium vorgeschriebenen Route um alle Kirchen herumführend |
1878 |
Der Innenminister übernahm für ganz Preußen eine Polizeiverordnung nach der Maskenzüge nicht länger als 3 Tage dauern dürfen |
1888 |
Zemperzug der Schumacher in Dahme |
1890 |
Maskenball in Lenzen |
1892 |
Die „Gassenhauer“ der Komponisten Paul Lincke und Walter Kollo sowie die „Berliner Originale“ des Dichters Adolf Glasbrenner, ebenso der „Wackeltanz“ Schieber prägten jetzt die Programme des Berliner Karnevals. |
1893 |
Die neue „Neue Kreisordnung“ in Cottbus limitierte Fastnachtsfeiern auf 3 Tage. |
1894 |
Gründung des Vereins der Rheinländer in Berlin |