Bräuche

Originelle Bräuche in unserem Karnevalverband

Das Abäschern des Prinzenpaares bei der Karnevalsgesellschaft Königs Wusterhausen 1954 e.V.

Während der 4 Veranstaltungen an den "Tollen Tagen" treiben die Mädchen der Garde der Karnevalsgesellschaft Königs Wusterhausen 1954 e.V. Sonderbares und Geheimnisvolles:

Sie schleppen von Zeit zu Zeit überquellende Aschenbecher aus dem Saal und sieben sie durch ein Sieb in ein Gefäß, das sie versteckt verwahren. So haben sie "saubere Zigarettenasche" (Zigarren werden nicht genommen).
Das fällt weiter nicht auf, mancher denkt höchstens "Warum macht den das nicht die Bedienung?"
Des Rätsels Lösung folgt bei der Saison-Abschlussveranstaltung der Karnevalsgesellschaft Königs Wusterhausen 1954 e.V.: Das gekrönte Prinzenpaar wird hereingeholt und für alle sichtbar platziert. Es ist umringt von den Gardemädchen, die etwas hinter ihrem Rücken versteckt halten. Nun werden dem Prinzenpaar die "Leviten" gelesen, eigentlich wird die gesamte zurückliegende Saison kurz analysiert. Es wird aufgezählt, was gut gelaufen ist und was nicht. Und: wird etwas Negatives erwähnt, streuen die Mädchen den gekrönten Asche aufs Haupt... Das Publikum schüttet sich aus vor Lachen, die beiden Gekrönten auch? (Die Menge der Asche hängt natürlich von der Menge der gemachten Fehler ab - ist das etwa ein Anreiz, immer das Beste zu geben?)

Ja, eine Karnevalskrone kann schon eine echte Bürde sein!

Offene Brandenburgische Landesmeisterschaften im Vorderlader- Kanonenschießen in Beelitz

Der Beelitzer Carnevalclub e.V. ist Organisator des größten Vorderlader- Kanonenschießens, an dem regelmäßig 22 Kanonen aus 8 Bundesländern teilnehmen. 2005 war ein besonderes Jahr, hier fand die 10. Meisterschaft (in Folge) statt. Geschossen wird in 2 Disziplinen (Guss- und Präzisionsrohr) auf Ziele in 100 m Entfernung. Der bisherige Rekord liegt bei 47 von 50 möglichen Treffern.

Wie hat sich dieser Brauch in Beelitz entwickelt? Heinrich Bohn von der KG Stadtgarde Rot- Weiss Ratingen (damals mit 74 Jahren der dienstälteste Kanonier) hatte die Beelitzer 1994 angeregt, sich für ihren Verein eine Kanone zum Böllern anzuschaffen. Als man sich dann mit dieser Kanone, "Donnerschlag" benannt, an den Meisterschaften im emsländischen Meppen beteiligen wollte, war das Turnier allerdings schon ausgebucht. Darum beschlossen die Beelitzer, 1996 ihre eigenen Meisterschaften auszutragen.

Und so machten sie ihre Beelitzer Stadtmeisterschaften parallel zur Ausrichtung der Landesmeisterschaften, damit man wenigstens in einer Meisterschaft Sieger werden konnte. Doch 1999 bekam der Beelitzer Carnevalclub e.V. Konkurrenz von einigen Mitgliedern der heimischen Schützengilde, die sich zu einer Kanoniersmannschaft formierten und seither mit ihrer Kanone "Luzifer" Leben in die Stadtmeisterschaft brachten. Denn mit den 23 Ringen, die ihnen den dritten Platz in der Gesamtwertung ihrer Kategorie bei der Landesmeisterschaft sicherte, gewannen sie gleichzeitig auch die Stadtmeisterschaft.

Nach einem Wettkampf bei einer Meisterschaft gibt es auch immer ein "Spaßschießen", bei dem Wassertonnenpyramiden, Autowracks oder Starkästen "in die Luft" gesprengt werden. Ein russischer Mörser, der eine Bunkeranlage ins Visier nimmt, belustigt das Publikum besonders. Es gab auch schon mal ein "Duell" zwischen einer Kanone von 1760 und einem selbst gefertigten Pfeil und Bogen - das Duell endete unentschieden mit je 7 Ringen.
Dieses "Duell" ging auf eine witzige Bemerkung von Michael Förster alias "Cowboy" zurück, der gesagt hatte: „Ihr mit Euren Vorderladern schießt nicht besser als ich mit Pfeil und Bogen!“ Beim Einlösen dieser "Wette Pfeil + Bogen gegen Vorderladermusketiere" trafen dann beide gleich gut. Besonders toll ist immer das Leben im Biwak, wo mit Zelten, Feuerschluckern und vielen Schwedenfeuern eine besondere Atmosphäre entfacht wird. Zum Abendprogramm steuert natürlich der Beelitzer Carnevalclub e.V. eine Auswahl seiner Besten bei. Schirmherr der Veranstaltung ist der Bürgermeister der Stadt.

Die jeweils amtierende Spargelkönigin verleiht an alle Kanonenbesatzungen, die nahezu alle in historischen Kostümen erscheinen, das Ehrenbanner. Das Motto der Meisterschaft lautet: "Pulver und Blei - Feuer frei!"
Dass aus den anfänglich 8 Mannschaften bei diesen Offenen Landesmeisterschaften inzwischen 22 geworden sind und damit die Grenze des Möglichen erreicht ist, hätte sich der damalige BCC Präsident Gerd Nöthe niemals träumen lassen, auch nicht, dass mittlerweile alles so schnell geht. In eineinhalb Stunden sind alle 5 Wertungsschüsse abgefeuert. Dennoch soll aus diesem Spektakel kein "Kommen, Schießen und Abhauen" werden, meinte Nöthe, sondern ein ganzes Wochenende Spaß, am Schluss mit einem Feuerwerk - 2005 wurde dies abgefeuert von der sächsischen Artillerie!

Schlacht- (Narren-) Rufe im KVBB

Aus nicht mehr feststellbaren Gründen hat sich im Karneval und Fasching der ehemaligen DDR der Begriff "Schlachtruf“ statt Narrenruf, wie es allgemein heißt, eingebürgert. Sicher meinte man nicht das kriegerische Schlachtgetümmel oder einen bevorstehenden sportlichen Wettkampf, wofür man sich gegenseitig anfeuern musste. Aber ein närrisches Getümmel konnte so eine Veranstaltung zu den tollen Tagen schon sein.

Was ist der Narren- oder Schlachtruf eigentlich?
Mit freundlicher Genehmigung von Horst Blawitzki, Landesarchivar des VSC, zitieren wir hier aus seinem Heft "Alaaf- Helau- Oder was? Narrenrufe in Sachsen." (Schriftenreihe "Archiv- Blätter des VSC" Heft 1)
Blawitzki beschreibt vieles, was wir auch bei uns in Berlin und Brandenburg kennen:
"Das Lärmen ist eines der vier Grundelemente der Fastnacht und des Karnevals. Neben den instrumental erzeugten Klängen und Geräuschen der Fastnacht wie z.B. durch Glocken, Schellen, Rasseln, Musikinstrumente und anderen zur Erzeugung von Geräuschen geeigneten Gegenständen, gibt es noch eine Fülle vokaler Äußerungen, zu denen auch der Narrenruf, auch Schlachtruf genannt, gehört."

Narren- und Schlachtrufe sind fastnächtliche und karnevalistische Symbole. Sie stellen eine Art Begrüßungsformel dar, die ausschließlich in der "fünften Jahreszeit" Verwendung findet. Karnevalisten verzichten in dieser Zeit auf das übliche "Guten Tag" oder "Grüß Gott" oder das moderne "Hallo" und begrüßen sich mit einer so genannten Wechselrede oder einem einzelnen sich wiederholenden Wort, dem Narrenruf, auch Schlachtruf genannt. Praktiziert wird diese spezielle Form der Begrüßung auch als reiner Lärmerzeuger bei Zusammenkünften, sowohl auf der Straße, als auch in geschlossenen Räumen. Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, seit wann eigentlich Narrenrufe in der Fastnacht verwendet werden (Freudenschreie oder jubelnde Lautäußerungen, auch das Plärren und Schreien waren schon im Mittelalter üblich.)

Bekannter sind heute die wortbildenden Narrenrufe "Alaaf" und "Helau", wobei das "Helau" auch bei uns in Brandenburg häufige Verwendung in verschiedenen Wortkombinationen findet. Das "Alaaf", später in der Wortkombination "Kölle-Alaaf" ist wohl der älteste nachweisbare Narrenruf. Das Wort "Alaaf" bedeutet hier etwa: "nichts geht über" und war damals eine allgemeine und zitierfähige Wendung, lange vor 1815 schon bekannt ("Alaaf für einen goten druncke"). Der Narrenruf "Alaaf" in der Wortkombination "Kölle-Alaaf" ist ab 1830 bekannt, wie für Aachen "Oochen- Alaaf"
Das "Helau" ist ein Ausruf, der seinen Beleg in einer Tiroler Inschrift aus dem Jahre 1603 findet. Dieser Narrenruf, der aus Mainz und Düsseldorf bekannt geworden ist, etwa um 1830 dort eingebürgert, hat sich in den Folgejahren rasch verbreitet. Das Helau trat im 19. Jahrhundert - gemeinsam mit dem rheinischen Karneval - seinen Siegeszug nördlich des "Weißwurst-Äquators" in Deutschland an. Alaaf hingegen blieb in der Regel (Ausnahmen gibt es!) auf die beiden Städte begrenzt, die sich damit "über alles" fühlten.

Was wird nun bei uns in Berlin und Brandenburg gerufen?
Auch bei uns trifft zu, was Blawitzki für Sachsen feststellt. "Narrenrufe sind sehr vielfältig. Unstrittig ist, dass der sächsische Karneval in seiner Entwicklung durch den rheinischen Karneval beeinflusst worden ist. Dazu gehört auch der Narrenruf 'Helau'.“ Blawitzki unterscheidet verschiedene Arten (Gruppen) von Narrenrufen, was auch in unserem Gebiet des KVBB anzutreffen ist.

  1. Das sind Narrenrufe, in denen der Heimatort oder Stadtteil des Vereins mit dem Wort "Helau" kombiniert worden ist. Damit finden eine Identifikation des Rufers mit seinem Ort und zugleich der Gruß an die ihn umgebende Situation statt, z.B. bei Treffen, Veranstaltungen oder Umzügen. Beispiele: "Lebuser Schau-Helau, Helau"; "Neuenhagen- Alaaf Helau"; "Stadt an der Hütte- Helau" (Eisenhüttenstadt); "Erdöl-Tabak-Narrenschau- Zicke, Zacke - Schwedt Helau" (Ölprinzen); "Friedrichshain-Helau - mehr Feuer rein"; "KCH dicke da - Brandenburg Helau". Etwas Originelles ist: "Spandau-HeLei". Das "Lei" meint die Kirche St. Nicolai, die als traditioneller Treffpunkt des Vereins für seine Umzüge gilt. Dem Verein gilt sie schlechthin als der Vereinstreff. Ansonsten haben sich alle Vereine des Berliner Westteiles frühzeitig nicht nur auf ein gemeinsames Prinzenpaar sondern auch einen gemeinsamen Schlachtruf geeinigt: "Berlin-Hei-Jo" meint Heiterkeit und Jokus. 1992 fügte man auf Anregung des aus dem Ostteil stammenden Prinzen noch dieses an: "Karneval an der Spree- ole, ole, ole".
  2. Viele Vereine haben einen Schlachtruf, der die Wortkombination Vereinskürzel- Helau hat. Hier soll die Vereinszugehörigkeit betont werden. Beispiele: "PKC- Helau" (Potsdam), "LKC- Helau" (Babelsberg) Diese Variante haben sehr viele Vereine im KVBB. Deshalb erfolgt keine weitere Aufzählung.
  3. Es gibt Narrenrufe, oft in ländlichen Gemeinden, die eine Aufforderung zum Mitmachen bzw. zum Hinschauen enthalten. Hier gibt es sehr viel Einfallsreichtum, und Fröhlichkeit. Manches ist aus einer Laune heraus am Stammtisch entstanden. Nicht in jedem Falle sind die "Autoren" solcher Rufe noch bekannt. Beispiele: "Alaaf- Helau" (Welzow): "Alla- Helau" (Freienwalde); "Kille, Kille -Helau" (Döbern); "Annahütte - total verrückt"; "Närrisch Neu- au" (Neuenhagen); "Gartz - mal neu"; "Nicht zögern -Altdöbern"; "Donner Wittstock"; "Sauft aus" (FK BKB Schwedt); "Arche Noah" (Ruhland); "Lenzen- Oja": "Schnipp schnapp - Schlips ab" (Cottbuser Narrenweiber); "Koßwig ole - alles o.k".
    Etwas Besonderes sind solche Rufe: „Ali Watschi - Hei, Hei, Hei" - ruft man in Brück und erinnert sieh dunkel an einen Typen im Klub, der einen watschelnden Gang hatte und Ali gerufen wurde. Wenn die Möthlitzer "Ali Watschi-Helau" rufen, wissen sie allerdings keinen konkreten Anlass mehr für die Entstehung dieses Rufes. In Friesack heißt es „HEP - KEP - TAU". Das ist folgender "Dialog" mit dem Publikum: Vom Präsidium erschallt es HEP (jeder solle sein Glas heben), dann KEP (jeder soll es kippen und trinken) - das Publikum antwortet TAU, wenn, es ausgetrunken hat. Irgendeine Mundart soll das aber nicht sein, versicherte man mir auf Nachfrage.
  4. Weiter nehmen manche Narrenrufe einen deutlichen Bezug zu Besonderheiten eines Ortes oder seiner Betriebe bzw. Einrichtungen. Das dies auch der Identifikation dient, ist offenkundig. Beispiele: "Spargel- Spitz" (Beelitz); "Gerswalde- Ucker, Ucker", "Muh-Muh-Re-Re" ruft man in Leegebruch, weil durch den Ort das Flüsschen Mahre fließt. "Golßen - nuff, nuff" weist auf den wichtigsten Betrieb und Sponsor, den ehemals VEB Fleisch und Wurstwaren, heute Spreewälder Wurstwaren, im Volksmund nur "Wurst + Zippel" genannt, hin. Außerdem (wohl deshalb?) ist im Golßener Stadtwappen ein Schwein abgebildet, Das "Halali- Halalo" in Eberswalde stellt den Ort als Stadt der Forstwirtschaft und der Forstwissenschaft heraus. Das "Görlsdorf-Hopp-Hopp" weist auf die Kaltblüterzucht und den Reitsport im Orte hin. Wenn die Lehnitzer rufen "Mit Genuss- hinein" haben sie ihre örtliche Süßwarenfabrik im Hinterkopf.

Weniger üblich ist die lateinsche Form von Narrenrufen, aber auch sie gibt es bei uns. Beispiele: "Primis- lavia" (Prenzlau), "Belici- Helau" (Belzig) Die bei uns anzutreffenden Schlacht (Narren)- Rufe sind immer spezifisch, an Ort, Verein oder eine bestimmte Begebenheit gebunden. Sie sind eine sprachliche Verkürzung, die "ins Ohr gehen soll".